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Cornelia Funke und Kerstin Meyer: Prinzessin Isabella

Titel: Prinzessin Isabella
Autorin: Funke, Cornelia
Illustratorin: Meyer, Kerstin

Deutsche Erstausgabe: Hamburg: Oetinger, 1997.

Altersklasse: 3+

Cornelia Funke und Kerstin Meyer: Prinzessin Isabella
Titelbild der dt. Erstausgabe

Rezension von Antje Nickel

Isabella, jüngste von 3 Schwestern, ist eine echte Prinzessin. Eine Prinzessin zu sein, das wünschen sich viele Mädchen, Isabella aber nicht. Sie findet es sogar langweilig, dass man ihr die Haare frisiert, die Nase putzt und sie in schöne Kleider steckt. Isabella will lieber Hosen tragen, damit sie auf Bäume klettern kann, sie will ihre Brote selber schmieren und lachen, wenn ihr danach ist. Eines morgens wirft sie ihre Krone aus dem Fenster und brüllt: "Ich will keine Prinzessin mehr sein!" Völlig entsetzt von diesem Aufstand wird ihr Vater, der König, gerufen der sie wegen ihres ungehörigem Benehmens für drei Tage, zu niedrigen Arbeiten, in die Küche steckt. Als der König seine Tochter wieder zu sich rufen lässt und Isabella immer noch nicht ihre Krone aufsetzen will, schickt er sie für drei weitere Tage in den Schweinestall. Als die Schwestern angeekelt auf den Gestank von Isabella reagieren beschließt sie mit ihrer Lieblingspuppe im Schweinestall zu schlafen. Der Vater, der mittlerweile seine Tochter vermisst, schleicht nachts aus dem Schloss und findet eine dreckige aber glückliche Tochter vor. Seufzend, und auf ihre Wünsche eingehend bittet er sie wieder in das Schloss zu kommen. Isabella schlief noch oft im Schweinestall, ihre Kleider verschenkte sie und ihre Krone setzte sie nur noch ab und zu auf...

In der Geschichte wird ein Mädchen dargestellt, das gegen die ihr zugewiesene Position protestiert. Es handelt sich hierbei um die soziale Konstruktion einer Prinzessin die in einem Schloss lebt und alles bekommt "was sich ein Mädchen wünscht". Man wäscht ihr die Ohren, zieht sie an, dreht ihr Locken und passt auf, dass sie beim Spielen keine blauen Flecken bekommt. Selbst die Pflege und Haltung von Affen und Ponys, die die Haustiere der Prinzessin sind, nimmt man ihr ab. Isabella´s Aufgabe ist es lediglich auf dem Thron still zu sitzen, beim Hofknicks nicht um zu fallen, mit geschlossenem Mund zu gähnen und eine Stunde am Tag zu lachen. Die Selbständigkeit, das Verrichten von alltäglichen Dingen die zum Selbstbewusstsein eines Menschen in der persönlichen Entwicklung notwendig sind, wird Isabella, durch den sozialen Konstrukt Prinzessin zu sein, gänzlich aus der Hand genommen. Das Benehmen welches man von ihr abverlangt lässt sie zu einer steifen, unnatürlichen, unterdrückten Person heran wachsen. Durch das nächtliche Seufzen auf dem Fensterbrett gelingt es jedoch Isabella ihre Gedanken zu ordnen und sich von ihren Visionen, Hosen zu tragen, auf Bäume zu klettern, Brote selbst zu schmieren und zu lachen wenn ihr danach ist, nicht abbringen zu lassen. Der immer größer werdende Druck, den sie verspürt, lässt sie eines Morgens als Rebellin erwachen. Sie wirft ihre Krone, das Statussymbol, aus dem Fenster und löst sich damit von ihren ständigen Kopfschmerzen. Ohne Krone, d.h. mit der Aufgabe der sozialen Rolle als Prinzessin, kämpft sie nun eigenständig für die Verwirklichung ihrer Visionen und nimmt dafür die Trennung von ihrem Elternhaus hin. Sie lernt in der Küche und im Stall handwerkliche Arbeit kennen und beschließt aufgrund der Abneigung ihrer eigenen Schwestern die sie erfährt, mit ihrer Lieblingspuppe, welche nun die bisherigen Bezugsperson ersetzen soll, im Schweinestall zu übernachten und somit eigenständig aus dem Elternhaus auszuziehen .

Der Vater, der das schlechte Benehmen seiner Tochter nicht billigte und Isabella für mehrere Tage in niedrigere Arbeit und Räumlichkeiten bringen lies, spürt nun dass er seine Tochter vermisst. Er schleicht sich nachts, um nicht gesehen zu werden, aus seinem Haus und findet im Schweinestall seine verdreckte aber glückliche Tochter wieder. Er legt die soziale Rolle des Königs ab und erlebt sich nun als Vater. Er geht auf die Wünsche seiner Tochter ein und weicht somit die soziale Rolle der Prinzessin auf. Er akzeptiert seine Tochter als selbstbewussten Menschen und bittet sie nach Hause zu kommen.

Isabella, erkennt man auf dem ersten Blick. Mit verschränkten Armen, barfüßig und einem wütenden Blick schaut sie den Betrachter mit ihrem runden Mondgesicht an. Ihre größeren Schwestern hingegen sonnen sich völlig vergessen in ihrem Spiegelbild. Immer wieder schneidet Isabella übertriebene und aussagekräftige Grimassen. Alle anderen Bewohner des Schlosses, mit Ausnahme des Königs, haben gleiche ovalen Köpfe mit hochnäsigen Gesichtszügen. Es lässt sich schnell erkennen, dass es sich in dieser Geschichte um die Beziehung zwischen Vater und Tochter dreht. Die ironische Darstellung der Personen und deren Eigenschaften, die farbenfrohen Zeichnungen, der einfach gehaltenen Hintergrund mit seinen versteckten Details machen dieses Buch zu dem, was man sich immer wieder gerne anschaut und weiter empfiehlt.

Noch heute ist es in einigen Gesellschaftsschichten unüblich, als Mädchen auf Bäume zu klettern, sich gegen das Wort des Vaters auf zu lehnen und laut zu schreien. Prinzessin Isabella ist ein Bilderbuch das Mädchen ermutigen soll, sich in ihrer Geschlechterrolle nicht unterdrücken zu lassen, sondern ihre natürlichen Bedürfnisse und individuellen Wünsche zu äußern.

 

Gespräch mit Lara, 6 Jahre alt,
über ihr Lieblingsbuch
"Prinzessin Isabella"

 

 

 

1. Juli 2009
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